Am langen Arm verhungern lassen

Gewerbesteuerrückzahlung bringt Weiterstadt in die Bredouille

Ein einziger, überraschender und erst im August zugestellter Bescheid des Finanzamtes Darmstadt trifft die Finanzplanung der Stadt Weiterstadt ins Mark. Die nachträgliche Bilanzierung des größten Gewerbesteuerzahlers in Weiterstadt führt voraussichtlich zu einer Belastung von über 20 Millionen Euro Gewerbesteuererstattungen im Zeitraum von nur anderthalb Jahren.

„Das stellt Weiterstadt vor noch nie dagewesene Herausforderungen.", erläutert Bürgermeister Ralf Möller. Die Summe setzt sich aus den schon vor Jahren vereinnahmten Steuern des Unternehmens zusammen, die zurückerstattet werden müssen.

Was das für die in Weiterstadt lebenden Menschen bedeutet, steht noch nicht fest. Die kompletten Steuereinnahmen eines Jahres, die ja längst zur Deckung der Ausgaben verwendet wurden, müssen jetzt zurückgezahlt werden. Möller betont, dass er nicht vorhabe das Defizit durch eine Erhöhung von Steuern oder die Schließung städtischer Einrichtungen auszugleichen, obgleich jetzt natürlich intensiv geprüft werden müsse, wie diese Summe aufgebracht werden kann. „Intern setzen wir den Rotstift an", erklärt Möller und führt aus, dass seitens der Stadtverwaltung zunächst ein Haushaltssicherungskonzept aufgestellt wird. Ferne hat der Magistrat in seiner jüngsten Sitzung eine haushaltswirtschaftliche Sperre beschlossen, wonach die Ausgaben im Wesentlichen auf vertragliche und gesetzliche Leistungen reduziert werden. Begonnene Projekte werden selbstverständlich fortgesetzt, jedoch vorerst keine neuen Bauprojekte begonnen, es sei denn Instandhaltungsarbeiten können nicht aufgeschoben werden.

Um die Auswirkungen für die Bevölkerung möglichst gering zu halten, steht der Bürgermeister in Kontakt mit dem Unternehmen, um die Rückzahlung strecken zu können.

„In jedem Fall werden wir in Abstimmung mit unserer Kommunalaufsicht Darlehen aufnehmen müssen," erläutert Bürgermeister Möller. Seit seinem Amtsantritt vor gut 10 Jahren habe die Stadt keine neuen Schulden aufnehmen müssen. Möller: „Wir haben in Abstimmung mit der Stadtverordnetenversammlung immer vorbildlich gewirtschaftet und konnten regelmäßig die Früchte dieses Erfolgs einfahren. Jetzt lässt man uns aber am langen Arm verhungern." Es könne nicht sein, dass wir die Leidtragenden sind, wenn Großkonzernen Steuerschlupflöcher ermöglicht werden, klagt der Bürgermeister an, denn das Unternehmen erwirtschafte veritable Gewinne. Vor diesem Hintergrund soll die Rückzahlung auch rechtlich geprüft werden. „Jammern bringt uns jetzt aber auch nicht weiter, jetzt gilt es einmal mehr Krisenmanagement zu betreiben, aber darin sind wir ja schon geübt."

Zurück