„Wir brauchen ein attraktives Arbeitsumfeld“
Stadt setzt sich intensiv für gute medizinische Versorgung vor Ort ein – MVZ in zentraler Lage ist in Planung – Angespannte Hausärztelage in Gräfenhausen im Blick
Wie kann dafür gesorgt werden, dass es in Weiterstadt langfristig eine gute und breit aufgestellte medizinische Versorgung gibt? Trotz demographischem Wandel, trotz bundesweitem Ärztemangel. Diese Frage beschäftigt Verwaltung und Politik bereits seit einigen Jahren. Im September 2018 hatte sich die Stadtverordnetenversammlung für den Bau eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) ausgesprochen. Kürzlich befasste sich das Parlament mit der hausärztlichen Versorgung in Gräfenhausen, wo sich die Lage nach dem Weggang eines Mediziners weiter verschlechtert hat. Die Fraktionen beschlossen einstimmig, dass dieser Status Quo bei der Planung eines MVZ berücksichtigt werden müsse. Der Magistrat solle prüfen, ob über das Zentrum „auch die hausärztliche Versorgung in Gräfenhausen sichergestellt bzw. verbessert werden kann", hatten die regierende SPD und Kooperationspartner FWW in einem gemeinsamen Antrag gefordert und aus der Opposition uneingeschränkte Zustimmung erhalten. „Wir ziehen bei diesem Thema an einem Strang", freut sich Bürgermeister Ralf Möller, der zeitnah alle Hausärzte in Weiterstadt über die Pläne informieren möchte und um ihre Zustimmung bittet. „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit einem solchen Zentrum den wachsenden Versorgungsbedarf gut bewältigen werden", betont der Rathaus-Chef, der sich eine Anlauffinanzierung der Stadt vorstellen kann. „Letztlich entscheidet aber der Landkreis über die Umsetzung dieses wichtigen Projekts", weiß Möller.
Wie in vielen anderen Kommunen zeichnet sich in Weiterstadt ein Mangel ab, der nicht über den Markt geregelt werden kann. In Gräfenhausen ist die Lage besonders angespannt. Nur noch zwei Hausärzte gibt es für die rund 6000 Einwohner im zweitgrößten Stadtteil. „Die entstandene Lücke kann nicht vollständig geschlossen werden", räumt Möller ein. „Hinzu kommt, dass der Versorgungsbedarf wegen des demographischen Wandels steigen wird." Deshalb trieben Verwaltung und Politik die Einrichtung eines MVZ voran und stießen beim Landkreis Darmstadt-Dieburg auf Zustimmung. Ein Beschluss des Kreistags liegt vor, derzeit werden mögliche Standorte in Weiterstadt geprüft – in zentraler Lage. Das ist für ein MVZ genauso verpflichtend wie die durchgehende Präsenz von mindestens einem Haus- und einem Facharzt. „Deshalb kommt Gräfenhausen als Standort nicht in Frage", erläutert der Rathaus-Chef, sagt aber auch: „Wir haben die kritische Hausärztelage im Blick und setzen uns dafür ein, dass sich in Gräfenhausen wieder ein dritter Arzt ansiedelt." Dass dies ein schwieriges Unterfangen werden könnte, ist sich der Bürgermeister bewusst. „Es ist schon länger schwierig, Ärzte nach Weiterstadt zu holen. Daher brauchen wir ein attraktives Arbeitsumfeld."
Ein MVZ könne dazu beitragen, aber nicht alle Probleme lösen, zu denen auch der immense bürokratische Aufwand für niedergelassene Ärzte zähle. „Es geht auch darum, den Job des Hausarztes aufzuwerten", appelliert Möller an die Kassenärztliche Vereinigung (KV), die mit den Krankenkassen verhandelt und somit Einfluss auf die Rahmenbedingungen nimmt. Anregungen können Kommunen geben, aber in der Regel nicht in den Markt eingreifen. Die KV entscheidet, wo Ärzte Praxen eröffnen dürfen. Die öffentliche Hand hat nur dann Mitspracherecht, wenn eine rechtliche Unterversorgung besteht, die sich aus der Auslastung der Praxen ableitet. „Diese Situation haben wir in Weiterstadt derzeit nicht", sagt Möller. Deshalb sei die Stadt in der Rolle des Vermittlers, nehme Sorgen aus der Bevölkerung sehr ernst, weise regelmäßig auf die Engpässe hin und setze sich intensiv für ein MVZ ein. „Wir sind der Überzeugung, dass ein solches Zentrum die Arbeit der Hausärzte erheblich erleichtern und langfristig eine medizinische Versorgung sichern würde, die man von einem Mittelzentrum Plus erwarten darf", meint der Bürgermeister.