„Meinen Beitrag zur Verkehrswende leisten“

Anna Hesse ist seit kurzem Radverkehrsbeauftragte der Stadt – In den nächsten vier Jahren setzt sich die Weiterstädterin ehrenamtlich für eine bessere Infrastruktur ein

Menschen für das Radfahren begeistern, die Infrastruktur kontinuierlich verbessern: Diese Ziele hat sich die Stadt Weiterstadt auf die Fahnen geschrieben. Die Erfahrungen und Bedürfnisse der Bevölkerung spielen dabei eine wichtige Rolle. Deshalb rief die Stadt im Frühjahr 2019 einen „Runden Tisch Radverkehr" ins Leben, der als beratendes Gremium fungiert und Maßnahmen zur Radverkehrsförderung erarbeitet. Seit kurzem gibt es außerdem mit Anna Hesse eine ehrenamtliche Radverkehrsbeauftragte, die an der Schnittstelle zwischen Politik, Verwaltung und Bevölkerung agiert und eine beratende Funktion hat. Im Interview erzählt die Weiterstädterin, was sie während ihrer Amtszeit vorantreiben möchte, was sie an der Aufgabe reizt und wie das Fahrrad verstärkt in den Alltag integriert werden kann.

Was hat Sie dazu bewogen, sich bei der Stadt zu bewerben und nun das Amt der Radverkehrsbeauftragten anzutreten?
Anna Hesse: Ich sehe in dem Amt die Chance, meinen Beitrag zur Verkehrswende und damit auch für eine kinder- und enkelgerechte Zukunft leisten zu können. Ich fahre selbst viel Fahrrad, probiere gerne neue Wege aus und bin auch mit radfahrenden Kindern unterwegs. Ich kenne die Stellen, an denen Verbesserungsbedarf besteht und hoffe, dass ich meine Erfahrung konstruktiv einbringen kann.

Das Ehrenamt tragen Sie für vier Jahre. Was wollen Sie in dieser Zeit erreichen?
Hesse: Mein Ziel ist, dass mehr Weiterstädter*innen das Fahrrad als Transportmittel entdecken, vor allem für die kurzen Strecken innerorts. Dafür muss Radfahren attraktiver und sicherer werden.

Sie arbeiten an der Schnittstelle zwischen Politik, Verwaltung und Bevölkerung. Was reizt Sie an dieser Aufgabe besonders?
Hesse: Ich kann einen Blick hinter die Kulissen werfen und darauf achten, dass die Bedürfnisse von Radfahrer*innen nicht aus dem Blick geraten.

Die Stadt tut bereits einiges im Bereich Radverkehrsförderung. Welche Projekte sind Ihnen besonders wichtig?
Hesse: Der „Runde Tisch Radverkehr" ist eine gute Möglichkeit, den Ideen der Weiterstädter*innen eine Plattform zu bieten. Neben größeren Projekten wie Radwegen oder Fahrradstraßen, von denen ich mir natürlich mehr wünsche, sind die kleinen Veränderungen wichtig, die auf den ersten Blick nicht auffallen. Dazu zählen zum Beispiel mehr Abstellmöglichkeiten für Fahrräder oder die Reparatur von Schlaglöchern, die das Radfahren in der Fläche angenehmer machen. Wichtig ist auch, dass bei allen Bauvorhaben im Bereich Verkehrsgestaltung Radfahrer*innen und Fußgänger*innen als Verkehrsteilnehmer erster Klasse mitgedacht werden. Als Radverkehrsbeauftragte wird die Stadt mich in die Planungsvorgänge eng einbeziehen.

Weiterstadt hat seit kurzem eine offizielle Fahrradstraße. Halten Sie solche Projekte für richtungsweisend?
Hesse: Ja. Es ist wichtig, dem Fahrrad als Transportmittel mehr Raum zu geben und Radfahren sicherer zu gestalten. Dann werden auch mehr Leute Fahrradfahren. Neben Fahrradstraßen sollten allerdings auch andere Maßnahmen ergriffen werden wie beispielsweise geschützte Radwege, asphaltierte Überlandwege oder sichere Querungsmöglichkeiten an stark befahrenen Straßen.

Wie erleben Sie die Fahrradbegeisterung in Weiterstadt?
Hesse: Ist die Begeisterung für das Fahrradfahren wichtig? Es fahren auch viele Leute Auto, die nicht autobegeistert sind. Genauso laufen viele Leute zu Fuß, die nicht laufbegeistert sind. Das Fahrrad sollte als ein alltägliches Verkehrsmittel begriffen und benutzt werden, für das man keine Begeisterung braucht, um damit zu fahren. In Gesprächen mit Fahrradbegeisterten und -unbegeisterten, mit Viel- und Wenigradler*innen wird häufig erwähnt, dass sie sich nicht sicher fühlen auf (Weiterstädter) Straßen. Wenn mehr Leute für das Radfahren begeistert werden sollen, muss Weiterstadt durch eine geeignete Infrastruktur sicherer und bequemer für Radfahrende werden. Diesen Prozess möchte ich aktiv mitgestalten.

Wie oft steigen Sie selbst auf das Rad und welche Strecken mögen Sie am liebsten?
Hesse: Ich fahre zwischen 50 und 100 Kilometern in der Woche, im Sommer mehr als im Winter. Strecken bis 18 Kilometer Länger fahre ich zu jeder Jahreszeit mit dem Fahrrad. Ich entdecke dabei gerne neue Wege. Von den Strecken, die ich regelmäßig fahre, ist mir der Weg nach Griesheim am liebsten – vorbei an Kellerranch und Rückhaltebecken. Je nach Tages- und Jahreszeit sieht der Wald anders aus. Die schon existierenden Abschnitte des Radschnellweges Darmstadt-Frankfurt mag ich auch.

Was sagen Sie Menschen, die der Überzeugung sind, ohne ein Auto nicht zurechtkommen zu können?
Hesse: Ob man ohne Auto zurechtkommt oder nicht, hängt von der individuellen Situation ab. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Wie weit ist mein Weg zur Arbeit und gibt es eine Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel auch in Kombination mit dem Fahrrad zu nutzen? Passen meine regelmäßigen Einkäufe in einen Fahrradanhänger oder Fahrradtaschen? Was kostet mich ein PKW im Jahr und würde mir das Geld anders angelegt mehr Freude oder Zufriedenheit bringen? Es muss ja nicht gleich ganz oder gar nicht sein. Jemand, der ein Auto derzeit nutzt, um zur Arbeit zu fahren, kann die Strecke zum Sporttraining zum Beispiel mit dem Rad fahren. Im Grunde zählt jeder Kilometer, der nicht mit dem Auto gefahren, sondern mit alternativen Verkehrsmitteln zurückgelegt wird. Auf längeren Strecken hilft eventuell ein Pedelec gegen den inneren Schweinehund oder durchgeschwitzte Kleidung. Einen Zweitwagen, der vor allem innerorts genutzt wird, kann ich meist durch ein Lastenfahrrad ersetzen. Zu allen Skeptikern sage ich: Macht ein Experiment. Legt einen Monat lang alle Strecken unter 10 oder 15 Kilometern ohne Auto zurück. Das klappt gut? Dann probiert drei Monate. Mein eigenes, weitgehend autofreies Experiment sollte ursprünglich ein Jahr dauern. Angefangen habe ich 2016 und es dauert noch an. Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert!

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