„Die Partnerschaften bestehen nicht nur auf dem Papier“

Stadt pflegt gute Kontakte zu ihren drei Partnerstädten – Verneuil-sur-Seine wird mit eigenem Stand auf Weihnachtsmarkt vertreten sein

Unzählige Schüleraustausche, Bürgerfahrten und gemeinsame Feiern: Die Stadt Weiterstadt pflegt intensive Beziehungen zu ihren drei Partnerstädten. Seit dem 10. November 1962 gibt es bereits die Verschwisterung mit der Gemeinde Kiens in Südtirol (Italien), wo heute rund 2.700 Menschen leben. Die Stadt Weiterstadt gab es damals noch nicht, aber mit Gräfenhausen eine Gemeinde, die sehr an interkulturellem Austausch interessiert war. Ein umtriebiger Lehrer hatte den Kontakt hergestellt, besonders in den 1960er- und 1970er-Jahren besuchten sich viele Abschlussklassen, Chöre oder Vereine. 1986 folgte die Verschwisterung mit Verneuil-sur-Seine, einer 16.000-Einwohner-Stadt vor den Toren der französischen Hauptstadt Paris. Die jüngste Partnerschaft besteht seit 2007 mit der Gemeinde Bagno a Ripoli (Italien), die mit knapp 26.000 Einwohnern fast genauso viele Einwohner wie Weiterstadt hat. „Die Partnerschaften bestehen nicht nur auf dem Papier", unterstreicht Bürgermeister Ralf Möller. „Über die Jahre haben sich viele Freundschaften entwickelt, die ohne diesen interkulturellen Austausch wohl nie geschlossen worden wären." Der lange Lockdown war für den „Arbeitskreis Städtepartnerschaften" deshalb eine schwere Zeit. Bürgerfahrten und weitere gesellige Momente waren für 2020 geplant, doch dann begann im Frühjahr die Corona-Pandemie – und an gegenseitige Besuche war monatelang nicht zu denken.

„Wir hatten aber regelmäßig Kontakt und wussten immer, wie unsere Freunde den Alltag unter Corona-Bedingungen meistern", betont Möller. Ein Wiedersehen gab es erst Ende August dieses Jahres, als die Musikkappelle Kiens die Stadt zu ihrem 200. Jubiläum einlud. Im Oktober fuhr dann eine kleine Delegation nach Frankreich, um in Verneuil-sur-Seine ein zünftiges Oktoberfest zu feiern. 200 Liter Darmstädter Bier hatten die Gäste um Jürgen Merlau (Geschäftsführer „Arbeitskreis Städtepartnerschaften") mitgebracht, welches die eigentlich eher Wein bevorzugenden Franzosen gerne tranken. „Es war ein emotionales Wiedersehen. Fast zwei Jahre hatten wir uns nicht gesehen, aber darunter hat der Austausch nicht gelitten", freut sich Merlau, der in der Stadtverwaltung seit mehr als 30 Jahren für den interkulturellen Austausch verantwortlich ist – und in dieser Zeit unzählige besondere Momente erlebte. Etwa im Rahmen der mehrtätigen Bürgerfahrten, die für viele Weiterstädterinnen und Weiterstädter ein Highlight sind, auf das sie sich das ganze Jahr freuen. Einige pflegen auf diesem Wege intensive Freundschaften – wie etwa die Familie Merlau aus Schneppenhausen und die Familie Pfeifhofer aus Kiens. „Wir haben ein tiefes Vertrauensverhältnis, wie man es nur zu ganz wenigen Menschen hat", erzählt Merlau.

Einst stand die Partnerschaft mit Kiens kurz vor der Auflösung, denn nach der Gebietsreform in Hessen brach der Kontakt Ende der 1970er-Jahre ab. Zwei Jahrzehnte lang gab es kaum Austausch, manche forderten das Ende der Partnerschaft. „Das wurde von unserem Partnerschafskomitee immer wieder erfolgreich verhindert. Das zeigt, welch hohen Stellenwert der interkulturelle Austausch schon immer hatte", verdeutlicht Merlau. Heute hegt niemand in Weiterstadt mehr Zweifel, denn die Partnerschaften werden auf ganz vielfältige Weise mit Leben gefüllt. Gute Kontakte pflegen nicht nur zahlreiche Vereine und Seniorengruppen, sondern auch die Albrecht-Dürer-Schule, die Hessenwaldschule und seit nunmehr zehn Jahren auch die Carl-Ulrich-Schule. Der „Arbeitskreis Städtepartnerschaften" unterstützt die Begegnungen finanziell, was Bürgermeister Möller ein besonderes Anliegen ist. „Durch interkulturellen Austausch entwickeln wir uns als Gesellschaft weiter, bleiben aufgeschlossen und erweitern unseren Horizont", unterstreicht der Rathaus-Chef, der sich schon jetzt auf das zweite Adventswochenende (3. bis 5. Dezember) freut. Denn dann darf er endlich wieder Gäste aus Verneuil-sur-Seine begrüßen. Mit einem Stand wird eine Delegation auf dem Weihnachtsmarkt im Schlosspark Braunshardt vertreten sein und Spezialitäten aus der Heimat verkaufen. „Und unsere Gäste werden wieder unsere guten Bratwürste essen", flachst Möller.

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